Zusammenfassung Fachtag„Sprache für Alle! Zugang zu Sprache für Migrant*innen und Geflüchtete – wo stehen wir und wo wollen wir hin?“
Am 15. November hat im Landeshaus Kiel der Fachtag „Sprache für Alle! Zugang zu Sprache für Migrant*innen und Geflüchtete – wo stehen wir und wo wollen wir hin?“ mit über 100 Teilnehmenden stattgefunden.
Der Fachtag wurde organisiert von der AG Migration und Arbeit Schleswig-Holstein (Erläuterung s.u.)
Sprache ist ein enorm wichtiger Aspekt für die Integration für Menschen ausländischer Herkunft im Arbeitsmarkt. Dies gilt sowohl für Geflüchtete als auch für Migrant*innen. In Schleswig-Holstein besteht bereits eine vielfältige Angebots- und Anbieterpalette. Diese ist jedoch für viele Fachberater*innen als auch für Ratsuchende bisweilen unübersichtlich, zu wenig bekannt und nicht allerorten zugänglich. Der Fachtag hatte also das Ziel, bestehende Angebote transparenter darzustellen und auf Lücken hinzuweisen.
Zu Beginn hat Frau Silke Schiller-Tobies, Staatssekretärin des Ministeriums für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung Schleswig-Holstein, in ihrer ersten Veranstaltung in ihrer Rolle ein Grußwort gehalten. Frau Schiller-Tobies bekräftigte, dass alle zugewanderten Menschen die Möglichkeit haben sollen, die deutsche Sprache zu lernen.
Prof. Dr. Vassilis Tsianos von der Fachhochschule Kiel betonte daraufhin in seinem Vortrag, dass Sprache zwar der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und Integration ist, aber dass der Spracherwerb individuell stattfindet. Die Sprachförderung und die Sprachdiagnostik seien allerdings zu genormt, sodass die Komplexität beim Sprachelernen nicht immer berücksichtigt werden kann. Dies wurde am Beispiel von Kitabesuchen deutlich, da nur knapp zwei Drittel von Kindern mit Migrationshintergrund eine Kita besuchen, im Gegensatz zu fast 100 Prozent von deutschen Kindern. Beteiligung sei ein zentraler Aspekt der Sprachförderung und ihr Fehlen ist integrationshemmend. Dies sei Ausdruck einer systematischen Verhinderung einer Bildungspartizipation von Menschen ausländischer Herkunft. Dies bildet nach Prof. Dr. Tsianos die Grundlage dafür, dass diese dann in Schulen, Ausbildungen und in der Erwerbstätigkeit benachteiligt und nicht ausreichend vertreten sind.
Von Herrn Peter Schmiedgen von der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten e.V. (ZBBS e.V.) wurde eine Informationsdarstellung präsentiert, welche die Wege des Spracherwerbs dargestellt hat. Es wurde daraufhin gewiesen, dass der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderte Integrationskurs, der idealerweise mit dem Niveau B1 endet, die erste Wahl an Sprachkursen ist. Es wurde auch auf die Problematik hingewiesen, dass viele Geflüchtete in der Praxis wegen fehlender Angebote keinen Zugang zu Integrationskursen haben oder dass knapp ein Drittel die B1-Prüfung nicht besteht. Das Angebot vom Land Schleswig-Holstein, die sogenannten „STAFF.SH-Kurse“ (Starterparket für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein) könnten hier bedingt die Lücke füllen, allerdings ist es hierbei nur schwer möglich, vom Niveau A2 zum B1-Niveau zu kommen. Auch sei es für Geflüchtete, die bereits in Arbeit oder Ausbildung sind, ein Problem, ihren Sprachstand zu verbessern, wenn sie merken, dass dieser für ihre Erwerbstätigkeit nicht auskömmlich ist. Ein übergreifendes Problem ist nach Herrn Schmiedgen, dass Ratssuchende oftmals nicht an Informationen zum Spracherwerb gelangen können. Die graphische Informationsdarstellung zum Spracherwerb finden Sie hier.
Frau Bergmann, Referatsleiterin des Referats VIII 43 für Integration, Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten im schleswig-holsteinischen Sozialministerium hat die Angebote des Ministeriums zum Spracherwerb vorgestellt. Vornehmlich gebe es hier die sogenannten „STAFF.SH-Kurse“, die als niedrigschwelliges, subsidiäres Angebot dieses Jahr zehn-jähriges Jubiläum feiern. Zusätzlich unterstützte das Sozialministerium aber auch Erstorientierungskurse (EOK-Kurse) vom Bund finanziell und fördert ergänzende Maßnahmen wie Prüfungskosten u.ä. Ziel sei es, dass es für alle Geflüchteten ein bedarfsgerechtes und flächendeckendes Angebot gibt. Frau Bergmann hat darauf hingewiesen, dass der Bund verpflichtet ist, dieses zu stellen und dass es wichtig ist, Lücken an das BAMF zu kommunizieren. Die Präsentation von Frau Bergmann finden Sie hier.
Im nächsten Programmpunkt hat Frau Sabine Bleyer von Umwelt Technik Soziales e.V. (UTS e.V.) die arbeitsmarktlichen Sprachtrainings vom Beratungsnetzwerk Alle an Bord! Perspektive Arbeitsmarkt für Geflüchtete und vom Netzwerk B.O.A.T. Beratung.Orientierung.Arbeit.Teilhabe. Integrationsförderung für Geflüchtete in Schleswig-Holstein vorgestellt. Die Sprachtrainings finden sowohl online als auch in Präsenz statt und sollen sprachlich auf Arbeit und Ausbildung vorbereiten. Ebenfalls haben sie eine Brückenfunktion zum Sprachstandserhalt bei langen Wartezeiten zwischen Regelsprachkursen. An den Sprachtrainings kann auch während der Arbeit oder Ausbildung teilgenommen werden. Weitere Informationen zu den Angeboten der Arbeitsmarktnetzwerke sowie Zitate von Teilnehmenden am Sprachtraining finden Sie hier.
Herr Turhan, Sprachlehrkraft bei UTS e.V., hat aus der Praxis der Sprachtrainings berichtet und vier Teilnehmende haben über ihre Erfahrungen beim Lernen der deutschen Sprache gesprochen. Vor allem die langen Wartezeiten zwischen den Sprachkursen und der damit einhergehende Sprachstandsverlust wurden hervorgehoben. Alle Teilnehmenden waren gerade deswegen sehr froh über die Sprachtrainings.
Im nächsten Punkt „Sprache und Arbeit in der Praxis“ wurden die Angebote des IQ Regionalen Integrationsnetzwerks Schleswig-Holstein von Frau Aurelie Bile Akono vorgestellt. In ganz Schleswig-Holstein unterstützt das IQ Regionale Integrationsnetzwerk Menschen ausländischen Herkunft, um Zugang zu einer adäquaten Beschäftigung zu erhalten. Darüber hinaus werden Unternehmen rund um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz darin beraten und unterstützt, Fach-/Arbeitskräfte zu finden. Eine Auflistung der Angebote finden Sie hier.
Frau Sarno und Herr Bruno von der Handwerkskammer Lübeck stellten die qualifizierende Maßnahme „Sprache und Beruf: Friseur*in“ vor. Hierbei wird in einer Kombination aus Sprache und Fachinhalten auf eine Umschulung oder eine Tätigkeit vorbereitet. Der Kurs besteht aus verschiedenen Unterrichtseinheiten, die einen Praxisbezug zum Friseurberuf bieten, aus einem berufsbezogenem Sprachtraining speziell für Friseur*innen, aus einem Bewerbungsmanagement und aus einem Praktikum. Die Dauer beträgt neun Monate und der Kurs findet vormittags in Teilzeit statt, dadurch ist es auch Frauen mit Kindern möglich, teilzunehmen. Seit 2017 haben 52 Personen teilgenommen. Herausforderungen bestehen vor allem darin, dass den Teilnehmenden vermittelt werden muss, dass es sich nicht um eine Ausbildung handelt. Andere Schwierigkeiten können die fehlende Schriftsprache, das Zeitmanagement und die Aufenthaltstitel der Teilnehmenden sein. Perspektivisch soll es dieses Angebot 2024 auch in Bad Segeberg geben. Auch ist eine Ausweitung des Konzeptes für neue Berufsgruppen geplant: „Sprache und Beruf SHK (Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk)“ und „Sprache und Beruf Bau“. Die Präsentation finden Sie hier und weitere Informationen zusätzlich hier.
Frau Deutsch von max.Q berichtete über ihre Arbeit zu Sprache und Arbeit im Kontext der beruflichen Anerkennung (Heilberufe). Der Bildungspartner max.Q ist auf die Themen Gesundheit und Soziales spezialisiert und bietet in Kiel neben allgemeinen und Berufssprachkursen auch Sprachkurse für Heilberufe an. Da es für aus dem Ausland stammende Ärzte und Ärztinnen schwierig sei, in Deutschland zu arbeiten, gibt es den sogenannten „Ärztekurs“ von max.Q. In dem zehn-monatigen Kurs gibt es Sprachunterricht, einen theoretischen Teil, ein Praktikum und zum Abschluss noch ein Prüfungstraining für die Kenntnisprüfung. Es wird viel Wert auf Kooperation mit relevanten Akteur*innen gelegt sowie auf eine Verzahnung von Theorie und Praxis. Durch den Kurs können ausländische Ärzte und Ärztinnen schneller in den Arbeitsmarkt münden. Seit 2017 haben 12 Kurse stattgefunden und 92 Prozent der Teilnehmenden haben die Fachsprachprüfung bestanden. Mehr Informationen finden Sie hier.
Zum Schluss wurde ein Online-Tool von Alle an Bord! von Frau Lara Massó und Herrn Schmiedgen vorgestellt, das Geflüchteten beim Finden von passenden Sprachkursen hilft. Ratsuchende können auf der Website von Alle an Bord! ihren Standort in Schleswig-Holstein, ihren Aufenthaltstitel und ihr Sprachniveau angeben und erhalten daraufhin passende Sprachkursangebote. Frau Massó hat besonders betont, dass ehrenamtliche Angebote aus den Kommunen, die noch nicht aufgenommen wurden, gerne mitgeteilt werden sollen, damit sie ergänzt werden können. Die einfache Handhabung des Tools macht es zu einem niedrigschwelligen Angebot für Menschen, die ihre Deutschkenntnisse verbessern möchten. Das Tool ist noch nicht vollständig ausgereift und es werden noch Anpassungen vorgenommen. Feedback kann gerne an alleanbord<script type="text/javascript"> obscureAddMid() </script>frsh<script type="text/javascript"> obscureAddEnd() </script>de geschickt werden. Das Tool finden Sie hier: https://www.alleanbord-sh.de/sprachkurse
Im Resümee verkündete Frau Anne-Katrin Lother als Teil der Koordination von Alle an Bord! unter anderem, dass die Lücken, die während des Fachtages identifiziert wurden, gesammelt und mit Entscheidungsträger*innen kommuniziert werden.
Die AG Migration und Arbeit Schleswig-Holstein bedankt sich ganz herzlich bei allen Referierenden und Teilnehmenden an der Veranstaltung!
Die AG Migration & Arbeit Schleswig-Holstein besteht seit 2010. In diesem Gremium von Expertinnen und Experten für berufs-, ausbildungs- und arbeitsmarktspezifische Fragen sind vertreten Farzaneh Vagdy-Voß (Regionales IQ Netzwerk Schleswig-Holstein), Mona Golla (ZBBS e.V.), Sabine Bleyer (UTS e.V.), Martin Link (Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.) Torsten Döhring (stellvertretender Landesbeauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen SH), Özlem Erdem-Wulff (Paritätischer Wohlfahrtsverband SH und B.O.A.T. Beratung.Orientierung.Arbeit.Teilhabe. Integrationsförderung für Geflüchtete in Schleswig-Holstein), Anne-Katrin Lother (Beratungsnetzwerk Alle an Bord! – Perspektive Arbeitsmarkt für Geflüchtete), Doris Kratz-Hinrichsen (Diakonisches Werk SH).
Kontakt: via Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., T. 0431-735 000, agmigrationundarbeit@frsh.de