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1. Lesung der Gesetzesänderungen u.a. des Chancenaufenthaltsrechts im Bundestag

Das Migrationspakekt mit Gesetzesänderungen bzw. Neuregelungen zum Chancen-Aufenthaltsrechtsgesetz, geplanten Änderungen zu §25a und §25b und zum Sprachkurszugang nach §44 und §45a AufenthG sowie einigen weiteren Änderungen im Aufenthaltsrecht wurde am 19.10.2022 zur ersten Lesung im Bundestag eingebracht.

Zuvor war das Gesetzespaket im Bundesrat beraten worden. Der Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme vom 16.09.2022 noch weiterreichende Änderungen vor.
Die Bundesregierung verwies dazu auf noch in Planung befindliche weitere Gesetzentwürfe bzw. lehnte einige der Vorschläge ab.

Im Bundestag wurde der Gesetzesentwurf dementsprechend unverändert eingebracht.
Die im Bundestag eingebrachte Fassung des Gesetzesentwurfs vom 28.09.2022 finden Sie in der BT-Drucksache 20/3727.
Die Drucksache enthält die Stellungnahme des Bundesrates vom 16.09.2022 und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu.

Eine Übersicht über die wichtigsten geplanten Änderungen im Kontext Sprachförderung und Bleibeperspektive geben wir Ihnen hier:

1. Sprachkurszugang nach §44 und §45a AufenthG

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28.09.2022 geht mit den neuen Regelungen zu §44 und §45a AufenthG bezüglich des Zugangs von Personen mit Aufenthaltsgestattung zu Integrations- und DeuFöV-Kursen deutlich über den ursprünglichen Referentenentwurf hinaus. Demnach wird nicht nur der Einreisestichtag 1.8.2019 als Grenze für die Zugangsberechtigung zu Integrationskurs bzw. berufsbezogenem Deutschkurs gestrichen, sondern auch alle anderen einschränkenden Bedingungen für Geflüchtete mit Aufenthaltsgestattung:

  • Künftig sollen alle Personen mit Aufenthaltsgestattung im Rahmen verfügbarer Kursplätze Zugang zu Integrationskursen und DeuFöV-Kursen haben unabhängig von Bleibeperspektive, Herkunftsland, Einreisedatum und Arbeitsmarktnähe haben. Das heißt, dass in §44 Abs. 4 unter 1. die einschränkenden Bestimmungen a) und b) entfallen.
  • Außerdem wird in §44 Abs. 4 unter 3. die Aufenthaltserlaubnis nach §24 AufenthG aufgenommen, womit klargestellt wird, dass Inhaber:innen einer Aufenthaltserlaubnis nach §24 AufenthG ebenfalls im Rahmen verfügbarer Plätze an Integrationskursen teilnehmen können.
  • Schließlich ist die Streichung von §44 Abs. 4 Satz 3 vorgesehen, das heißt auch Personen mit Aufenthaltsgestattung aus sogenannten sicheren Herkunftsländern können dann im Rahmen verfügbarer Plätze teilnehmen.
  • Die Bestimmungen werden in §45a AufenthG für die berufsbezogenen Deutschkurse entsprechend angepasst.

 

2. Änderungen zu §25a und §25b AufenthG

  • Für §25a AufenthG soll die erforderliche Voraufenthaltszeit von vier auf drei Jahre gesenkt und die obere Altersgrenze von 21 auf 27 Jahre erhöht werden.
  • Für §25b AufenthG ist die Senkung der Voraufenthaltszeit für Alleinstehende von 8 auf 6 und für Familien mit minderjährigen Kindern von 6 auf 4 Jahre vorgesehen.

Darüber hinaus werden Inhaber*innen des neuen §104 c AufenthG-E (Chancenaufenthaltsrecht) als Begünstigte sowohl des §25a als auch des §25b AufenthG mit aufgenommen. Für sie werden dann auch Zeiten mit einer Duldung nach §60b (Duldung wegen ungeklärter Identität) mit auf die Voraufenthaltszeit angerechnet.

 

3. Chancen-Aufenthaltsrecht: neuer §104c AufenthG

Als Voraussetzungen für das Chancenaufenthaltsrecht für Personen mit Duldung werden in einem neuen Paragraphen §104c AufenthG gefasst:

Voraussetzungen:

  • Ein mindestens 5-jähriger ununterbrochener gestatteter, geduldeter oder erlaubter Aufenthalt in Deutschland am Stichtag 1.1.2022,
  • Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung,
  • keine Straftaten (unschädlich sind Geldstrafen bis 50 bzw. 90 Tagessätzen bei Verstößen gegen aufenthaltsrechtliche Auflagen),
  • keine wiederholte vorsätzliche Falschangabe oder Täuschung über Identität, wenn diese zur Verhinderung der Abschiebung führt/geführt hat.

Sprachkenntnisse werden als Voraussetzung nicht genannt, also auch kein bestimmtes Sprachniveau

Auch Familienangehörige im eigenen Haushalt, die zum Stichtag noch nicht 5 Jahre aufhältig sind, können die Aufenthaltserlaubnis nach §104c AufenthG erhalten. Dies gilt auch für volljährige Kinder, die bei Einreise noch minderjährig waren.

Die Aufenthaltserlaubnis wird für ein Jahr erteilt. In diesem Jahr müssen die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach §25b oder altersentsprechend §25a erfüllt werden, das heißt u.a.

  • Identitätsklärung
  • Sprachkenntnisse
  • überwiegende eigenständige Lebensunterhaltssicherung
  • auch die Passpflicht muss dann erfüllt sein, es sei denn, es können gravierende Ausnahmetatbestände geltend gemacht werden.

Bei Nichterreichen dieser Voraussetzungen innerhalb eines Jahres fallen die Betroffenen wieder in die Duldung zurück.

Die Regelungen des § 104 c AufenthG sollen ab In-Kraft-Treten befristet für 3 Jahre gelten. In diesen drei Jahren besteht die Möglichkeit einen entsprechenden Antrag zu stellen. Es gilt auch dann der Stichtag 1.1.2022 für die Voraussetzung des 5-jährigen Aufenthalts.

 

4. Neuregelung §105d AufenthG

Eine interessante Neuregelung findet sich in einem neuen §105d AufenthG. Er betrifft Schutzsuchende aus der Ukraine, die über eine abgeschlossene ärztliche Ausbildung verfügen, aber hier noch keine Approbation haben. Im Einleitungstext heißt es dazu:

„Schutzsuchenden, die über eine abgeschlossene ärztliche Ausbildung verfügen, kann unter Umständen aufgrund nicht verfügbarer Unterlagen oder Nachweise eine Approbation oder Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach den Vorschriften der Bundesärzteordnung (BÄO) nicht zeitnah erteilt werden. Daher wird zur kurzfristigen und vorübergehenden Lösung sowie zur Sicherstellung einer ausreichenden und qualifizierten ärztlichen Versorgung in Aufnahmeeinrichtungen oder anderen für die Unterbringung von Personen nach § 24 Absatz 1 AufenthG durch die Länder bestimmten Einrichtungen die Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde, beschränkt auf die Versorgung anderer Schutzsuchender in der entsprechenden Einrichtung, befristet eingeführt.“

Für genauere Regelungen siehe §105d AufenthG laut Gesetzesentwurf in der Fassung vom 28.09.2022

 

Änderungen auch in weiteren Themenfeldern

Das Gesetzespaket sieht darüberhinaus Erleichterungen beim Familiennachzug vor sowie Verschärfungen bei Abschiebehaft und Ausweisungs- bzw. Rückführungsmöglichkeiten entsprechend der in der Gesetzesbegründung formulierten Ausgangsidee der Förderung der Integration bei gleichzeitiger „Rückführungsoffensive“.

Ergänzende Gesetzesänderungen in Planung

Weitere Gesetzespakete mit Änderungen im Aufenthaltsrecht zur Umsetzung der Ankündigungen im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition sind in Aussicht gestellt. Laut Koalitionsvertrag solle es Änderungen u. a. zur Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung und Abschaffung von Arbeitsverboten geben.